„Kiffen macht dumm” – ein Klischee, das sich hartnäckig in der öffentlichen Meinung hält (1)(2)(3). Doch stimmt das? Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Cannabis und seinen Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit zeigt ein wesentlich komplexeres Bild. Gerade in Zeiten zunehmender Akzeptanz und Legalisierung von Cannabis ist es wichtig, Vorurteile mit fundierten Fakten zu hinterfragen.
In diesem Artikel werfe ich einen Blick auf eine aktuelle Studie, die über 40 Jahre hinweg den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und kognitivem Abbau untersucht hat. Die Ergebnisse von Wissenschaftlern der Universität Kopenhagen wurden 2024 veröffentlicht.
Ich werde im Folgenden nicht nur die Ergebnisse der Forschung erklären, sondern auch Einblicke geben, wie wissenschaftliche Studien aufgebaut sind und warum sie für die Bewertung solcher Fragen von entscheidender Bedeutung sind.
Wissenschaftliches Arbeiten: Macht Kiffen wirklich dumm?
Bevor wir uns den Ergebnissen der aktuellen Studie widmen, ist es wichtig zu verstehen, wie wissenschaftliche Forschung aufgebaut ist und wie sie hilft, Vorurteile wie „Kiffen macht dumm” zu überprüfen. Wissenschaftliche Studien folgen einem bewährten Schema, das Transparenz und Nachvollziehbarkeit garantiert (4). Diese Struktur ist nicht nur ein akademisches Ideal, sondern eine Grundlage für die Objektivität der Forschung:
- Einleitung: Der Kontext, die Problemstellung und die Ziele der Untersuchung werden dargestellt.
- Theorie/Hintergrund: Hier wird der aktuelle Stand der Forschung erläutert und erklärt, warum die Studie notwendig ist.
- Methode: Das Studiendesign, die Datenerhebung und die Analysemethoden werden beschrieben.
- Ergebnisse: Die Daten und Befunde werden präzise und ohne Interpretation dargestellt.
- Diskussion: Die Ergebnisse werden interpretiert, mit anderen Studien verglichen, und es werden Einschränkungen sowie Implikationen aufgezeigt.
- Fazit: Eine abschließende Bewertung fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
Die hier analysierte Studie aus Kopenhagen (5) zu Cannabis und kognitivem Abbau folgt genau dieser Struktur. In der Einleitung beleuchten die Forschenden, dass Cannabis die am häufigsten konsumierte und missbrauchte Substanz auf der Schedule-I-Liste der US-amerikanischen Drogenbehörde (6) ist, welche Substanzen mit hohem Missbrauchspotenzial umfasst. Obwohl es Hinweise auf kurzfristige negative Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Kognition gibt (7)(8), sind Studien zu diesem Zusammenhang mit altersbedingtem kognitiven Abbau selten. Ziel der vorliegenden Studie war es, diese Beziehung vom frühen Erwachsenenalter bis ins späte mittlere Alter zu untersuchen.
Hintergrund: Warum war diese Studie notwendig?
Es gibt weitaus mehr Studien, die sich bereits diesem Thema gewidmet haben. Diese Studien zu Cannabis und Kognition zeigen ein uneinheitliches Bild:
- Kurzfristige Effekte: Viele Studien weisen darauf hin, dass Cannabis kurzfristig die Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit und exekutiven Funktionen beeinträchtigen kann.
- Langfristige Effekte: Ob und wie Cannabis langfristig den kognitiven Abbau beeinflusst, ist jedoch weniger klar. Manche Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Konsum, insbesondere bei Beginn im Jugendalter (9), die Entwicklung von Intelligenz und Denkvermögen beeinträchtigen könnte. Andere Studien fanden hingegen keine signifikanten Unterschiede zwischen Nutzern und Nicht-Nutzern (10)(11).
Forschungslücke: Was fehlt, sind Langzeitstudien, die große Kohorten über Jahrzehnte hinweg untersuchen, um fundierte Aussagen zu langfristigen Effekten von Cannabis auf die Kognition zu treffen. Die vorliegende Studie, die ich hier fokussiere, setzt genau hier an:
- Sie analysiert Daten von über 5000 dänischen Männern, die im jungen Erwachsenenalter und erneut im späten mittleren Alter getestet wurden.
- Durch die lange Beobachtungsdauer von über 40 Jahren und die große Teilnehmerzahl wird ein einzigartiger Einblick in altersbedingte Veränderungen und deren Zusammenhang mit Cannabiskonsum ermöglicht.
Dieser theoretische Rahmen verdeutlicht nicht nur die Notwendigkeit der Studie, sondern folgt auch einer wichtigen Grundregel wissenschaftlichen Arbeitens: Erkenntnisse werden immer im Kontext bestehender Forschung eingeordnet, um bestehende Lücken zu schließen.
Wie wurde die Studie durchgeführt? Ein Blick auf die Methodik
Die Methode einer wissenschaftlichen Studie ist das Rückgrat, das sicherstellt, dass die Ergebnisse valide, nachvollziehbar (objektiv) und reproduzierbar (reliabel)
(Validität, Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit im wissenschaftlichen Sinn sind hier erklärt) sind. In der Studie an der Universität Kopenhagen wurde ein detailliertes Forschungsdesign verwendet, um den Zusammenhang zwischen Cannabisnutzung und kognitivem Abbau über Jahrzehnte hinweg zu analysieren.
Beschreibung der untersuchten Gruppe
Die Untersuchung basiert auf einer außergewöhnlich umfangreichen Gruppe von 5162 Männern aus Dänemark, die zwischen 1949 und 1961 geboren wurden. Diese Männer wurden erstmals im Alter von etwa 20 Jahren, im Rahmen ihrer Wehrpflicht, auf ihre kognitive Leistungsfähigkeit getestet. Rund 44 Jahre später, im mittleren bis späten Erwachsenenalter (Durchschnittsalter: 64 Jahre), wurden sie erneut untersucht. Die lange Beobachtungsdauer macht die Studie einzigartig und bietet eine solide Grundlage, um altersbedingte Veränderungen zu analysieren.
Ein kurzer Exkurs: Wie Ergebnisse für alle Menschen relevant werden
Wissenschaftliche Studien nutzen häufig Stichproben, um Rückschlüsse auf eine größere Gruppe, die sogenannte Grundgesamtheit, zu ziehen. Die Grundgesamtheit umfasst alle Menschen, auf die die Ergebnisse einer Studie zutreffen sollen – in diesem Fall männliche Erwachsene, die Cannabis konsumieren oder eben nicht konsumieren.
Die untersuchte Gruppe von 5162 Männern stellt eine Stichprobe dar. Damit von dieser Stichprobe Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit gezogen werden können, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
- Repräsentativität: Die Stichprobe muss die Eigenschaften der Grundgesamtheit möglichst genau abbilden, etwa in Bezug auf Alter, Bildungsstand und andere wichtige Merkmale.
- Stichprobengröße: Eine größere Stichprobe verringert den Einfluss von Zufallsfehlern und erhöht die Genauigkeit der Ergebnisse.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die statistische Power, die angibt, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Studie einen tatsächlichen Effekt entdeckt, wenn dieser existiert. Eine höhere Stichprobengröße erhöht die statistische Power. Statistische Power wird in Prozent angegeben, wobei 80 % oder höher als Standard gelten. Einfacher ausgedrückt: Mit einer hohen Power sinkt das Risiko, einen wichtigen Effekt zu übersehen. (Wenn ihr also das nächste mal in all den aktuellen, hasserfüllten Onlinediskussionen wieder auf „Spezialisten“ trefft, die z.B. Umfrageergebnisse als nicht wahr erachten, weil sie selbst nicht gefragt wurden, dann werft doch mal mit diesen Begrifflichkeiten um euch).
Die vorliegende Studie erfüllt also alle nötigen Anforderungen durch ihre große Stichprobengröße, die eine hohe statistische Power ermöglicht, und die standardisierten Verfahren, die bei der Datenerhebung eingesetzt wurden. Die lange Beobachtungsdauer trägt zusätzlich dazu bei, dass die Ergebnisse als besonders zuverlässig gelten. Trotzdem bleibt ein wichtiger Punkt: Da die Studie ausschließlich Männer untersucht hat, ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Frauen nicht automatisch gegeben (leider ist das bei vielen medizinischen Untersuchungen der Fall).
Intelligenztests und Definition des kognitiven Abbaus
Die kognitiven Fähigkeiten wurden mit dem Intelligenztest Børge Priens Prøve (BPP) gemessen, der speziell für die dänische Wehrpflicht entwickelt wurde (12). Der BPP wurde so gestaltet, dass er praxisorientierter ist als viele andere Intelligenztests, da er gezielt auf die Anforderungen im militärischen Kontext abgestimmt wurde. Im Vergleich zu theoretischeren Tests konzentriert sich der BPP auf die praktischen Denk- und Problemlösungsfähigkeiten der Teilnehmer. Gleichzeitig ist der BPP stark mit der Wechsler-Intelligenzskala korreliert, einem weltweit anerkannten IQ-Test, was seine Validität als kognitives Messinstrument unterstreicht (13).
Unter Intelligenz versteht man im umgangssprachlichen Sinne meist die sogenannte kognitive Intelligenz – also die Fähigkeit, logisch zu denken, Probleme zu lösen und Informationen zu verarbeiten. Es ist mir jedoch bewusst, dass Intelligenz ein weitaus vielschichtigeres Konzept ist. So gibt es beispielsweise emotionale Intelligenz, die die Fähigkeit beschreibt, eigene und fremde Emotionen zu erkennen und zu steuern, oder soziale Intelligenz, die im Umgang mit anderen Menschen eine Rolle spielt. Die vorliegende Studie konzentriert sich jedoch ausschließlich auf kognitive Intelligenz und deren Veränderung im Laufe der Zeit. Zudem wurden die Ergebnisse des BPP standardisiert, sodass die IQ-Werte zwischen den beiden Messzeitpunkten vergleichbar sind. Kognitiver Abbau wurde dabei als die Differenz zwischen den IQ-Werten im jungen Erwachsenenalter und im späteren Leben definiert.
Erfassung der Cannabisnutzung
Bei der Nachuntersuchung wurden die Teilnehmer zu ihrem Cannabiskonsum befragt. Dazu zählten:
- Häufigkeit des Konsums: Die Studie klassifizierte den Konsum als “häufig”, wenn Cannabis mindestens zweimal pro Woche konsumiert wurde. Diese Schwelle wurde gewählt, um regelmäßigen Konsum klar von gelegentlichem oder sporadischem Gebrauch abzugrenzen. Personen mit einem Konsum unter dieser Schwelle wurden nicht als “häufige Nutzer” gezählt, unabhängig von der Konsumdauer. Es gab keine zusätzlichen Kategorien wie “sehr häufig” oder “täglicher Konsum”.
- Alter beim Konsumbeginn: eingeteilt in drei Gruppen: unter 18 Jahren, zwischen 18 und 25 Jahren, sowie über 25 Jahren.
- Dauer des Konsums: Anzahl der Jahre mit regelmäßigem Konsum.
Da die Befragung erst bei der Nachuntersuchung stattfand, basieren diese Daten auf den Erinnerungen der Teilnehmer. Solche retrospektiven Angaben können durch Erinnerungsverzerrungen beeinflusst werden, was ein potenzieller Schwachpunkt der Studie ist. Dennoch liefern sie wertvolle Einblicke, da sie es den Forschern ermöglichten, die Auswirkungen des Konsums auf den kognitiven Abbau präzise zu analysieren.
Berücksichtigte Kovariaten
In wissenschaftlichen Studien ist es entscheidend, sogenannte Kovariaten zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um begleitende Variablen, die die Ergebnisse beeinflussen könnten, ohne direkt Teil der Untersuchung zu sein. Wenn man diese Faktoren nicht einbezieht, könnte man falsche Rückschlüsse ziehen.
In dieser Studie wurden eine Vielzahl solcher Kovariaten einbezogen, um mögliche Verzerrungen zu vermeiden:
- Bildung: Menschen mit höherem Bildungsgrad haben oft andere kognitive Ausgangswerte und Verhaltensmuster, die sich auf den kognitiven Abbau auswirken können. Die Anzahl der Schul- und Ausbildungsjahre wurde daher erfasst.
- Alkohol- und Tabakkonsum: Diese Lebensgewohnheiten sind bekannte Risikofaktoren für die Gesundheit und können auch die kognitive Leistungsfähigkeit beeinflussen. Besonders starker Alkoholkonsum (“Binge Drinking”) wurde genauer untersucht.
- Psychische und körperliche Gesundheit: Hier wurden medizinische Diagnosen berücksichtigt, die ebenfalls mit der kognitiven Leistungsfähigkeit zusammenhängen können.
Die Berücksichtigung all dieser Faktoren ist eine große Stärke der Studie. Sie ermöglicht eine differenzierte Analyse, da mögliche Störvariablen minimiert werden. Im Vergleich zu anderen Studien zeigt dies, wie gründlich diese Untersuchung designt wurde. Gleichzeitig erinnert es daran, wie komplex es ist, menschliches Verhalten, Substanzkonsum und Gesundheit wissenschaftlich zu untersuchen. Gerade deshalb ist es wichtig, solche Kovariaten zu berücksichtigen, um fundierte und zuverlässige Ergebnisse zu erzielen.
Ergebnisse der vorliegenden Studie
Hauptfunde
Die Ergebnisse zeigen, dass Cannabisnutzer im Durchschnitt einen geringeren kognitiven Abbau aufwiesen als die Gruppe der Nicht-Nutzer. Während bei den Nicht-Nutzern ein Rückgang des IQ um 6,8 Punkte festgestellt wurde, lag dieser Wert bei den Cannabisnutzern bei 5,3 Punkten. Dieser Unterschied blieb auch dann bestehen, als weitere Einflussfaktoren wie Bildung und Alkoholkonsum in die Analyse einbezogen wurden.
Keine signifikanten Unterschiede bei Alter und Häufigkeit des Konsums
Weder das Alter, in dem die Teilnehmer erstmals Cannabis konsumierten, noch die Häufigkeit des Konsums hatten einen erkennbaren Einfluss auf den kognitiven Abbau. Sogar Teilnehmer, die bereits vor ihrem 18. Lebensjahr mit dem Konsum begonnen hatten, zeigten keinen stärkeren Abbau als diejenigen, die später damit anfingen.
Gruppe | Durchschnittlicher IQ-Rückgang | Signifikanz |
---|
Nicht-Nutzer | 6,8 Punkte | Referenz |
Cannabisnutzer | 5,3 Punkte | p < 0,001 |
Also, macht Cannabiskonsum nun dumm? Um die Ergebnisse richtig einzuordnen, hilft ein Blick auf mögliche Ursachen und methodische Einschränkungen.
Diskussion
Einordnung der Ergebnisse
Die Ergebnisse bestätigen, was einige frühere Studien bereits angedeutet haben: Der Konsum von Cannabis führt offenbar nicht zwangsläufig zu einem stärkeren kognitiven Abbau. Interessanterweise schnitten die Cannabisnutzer in dieser Studie sogar etwas besser ab als die Nicht-Nutzer. Dies könnte allerdings auch an Faktoren liegen, die nicht vollständig erfasst wurden, wie beispielsweise eine unterschiedliche Grundintelligenz oder soziale Unterschiede.
Potenzielle Erklärungen
Ein möglicher Grund für den geringeren kognitiven Abbau bei Cannabisnutzern könnte in den neuroprotektiven Eigenschaften von Cannabinoiden liegen, die in einigen Tierstudien (nicht in dieser Studie!) gezeigt wurden (14). Es ist aber auch denkbar, dass Cannabisnutzer aufgrund ihrer Lebenserfahrungen und sozialen Netzwerke andere kognitive Ressourcen entwickeln.
Methodische Einschränkungen
Trotz der spannenden Ergebnisse gibt es einige Einschränkungen. Die Erhebung der Cannabisnutzung basiert auf Selbstauskünften, was zu Verzerrungen führen kann. Zudem umfasst die Kohorte wie bereits erwähnt ausschließlich Männer, wodurch die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Frauen fraglich ist.
Fazit zur Aussagekraft der Ergebnisse
Trotz dieser methodischen Einschränkungen liefert die Studie wertvolle Hinweise darauf, dass gelegentlicher Cannabiskonsum keinen dramatischen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit im Alter hat.
Schlussfolgerung
Diese umfangreiche Langzeitstudie zeigt, dass der Cannabiskonsum nicht zwangsläufig mit einem stärkeren kognitiven Abbau einhergeht. Im Gegenteil: Die untersuchten Cannabisnutzer zeigten sogar einen etwas geringeren IQ-Verlust als die Nicht-Nutzer.
Bedeutung der Ergebnisse
Die Ergebnisse unterstreichen, dass häufige Annahmen über die negativen Auswirkungen von Cannabis auf die geistige Leistungsfähigkeit differenziert betrachtet werden müssen. Insbesondere die Tatsache, dass weder der Konsumbeginn noch die Häufigkeit des Konsums signifikant mit einem stärkeren kognitiven Abbau in Verbindung stehen, fordert gängige Klischees heraus.
Gesellschaftliche Implikationen
Diese Ergebnisse sind nicht nur wissenschaftlich interessant, sondern auch gesellschaftlich relevant. Sie könnten dazu beitragen, die öffentliche Debatte über Cannabisnutzung zu versachlichen und die Entstigmatisierung der Substanz zu fördern. Gleichzeitig unterstreichen sie die Notwendigkeit, weitere Langzeitstudien durchzuführen, um offene Fragen zu klären und die spezifischen Risiken sowie potenziellen Vorteile von Cannabisnutzung besser zu verstehen.
Trotzdem sollten die Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden, da Einschränkungen wie die rein männliche Stichprobe und die retrospektive Erfassung des Konsums berücksichtigt werden müssen. Eine umfassendere Betrachtung, die auch geschlechtsspezifische und kulturelle Unterschiede einbezieht, wäre ein wertvoller nächster Schritt. Ebenso wäre es sicherlich sinnvoll, eine Gruppe von intensiven Konsumenten mit einzubeziehen.
Ausblick
Zusammengefasst würde ich mir für die zukünftige Forschung einen stärkeren Fokus auf folgende Punkte wünschen:
- Geschlechtsspezifische Unterschiede: Die Auswirkungen des Cannabiskonsums auf Frauen sind bislang unterrepräsentiert. Studien, die sowohl Männer als auch Frauen einbeziehen, könnten ein vollständigeres Bild zeichnen und helfen, gezieltere Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.
- Unterschiede in Konsumformen: Die Untersuchung verschiedener Konsumformen (z. B. Rauchen, Edibles, Verdampfen) und deren spezifische Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit ist ein Bereich mit großem Potenzial. Unterschiedliche Aufnahmewege könnten unterschiedliche Risiken oder Vorteile bergen.
- Langfristige soziale und kulturelle Einflüsse: Der Einfluss von Umweltfaktoren, wie Bildung, sozialem Status oder kulturellen Einstellungen gegenüber Cannabis, sollte intensiver beleuchtet werden. Solche Studien könnten auch helfen, gesellschaftliche Vorurteile abzubauen.
- Genetische Prädispositionen: Zukünftige Forschungen könnten den Fokus auf genetische Faktoren legen, die beeinflussen, wie Menschen auf Cannabis reagieren. Dies könnte zu personalisierten Empfehlungen und einer gezielteren Gesundheitsaufklärung führen.
Politische und gesellschaftliche Konsequenzen
Diese Erkenntnisse könnten auch als Grundlage für eine differenzierte Drogenpolitik dienen. Wenn Cannabis langfristig keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit hat, könnte dies die Argumentation für eine kontrollierte Legalisierung stärken. Gleichzeitig sollten jedoch gezielte Aufklärungsmaßnahmen und Präventionsprogramme ausgebaut werden, um potenzielle Risiken, wie den Missbrauch durch Jugendliche, zu minimieren. Insgesamt bietet die vorliegende Studie eine solide Grundlage, um zukünftige Forschung und gesellschaftspolitische Diskussionen wissenschaftlich zu untermauern.
Mein Senf dazu
Nachdem wir nun die Fakten betrachtet haben, möchte ich noch einen persönlichen Gedanken dazu teilen: Egal, ob sich
durch zukünftige Forschung herausstellt, dass Cannabis (und auch andere Drogen) weniger schädlich ist als bislang angenommen oder ob sich langfristig zeigt, dass die Droge schädlicher ist als gedacht: Ich halte es – nicht nur beim Thema Drogen — für essentiell, sich bei gesellschaftlich relevanten Themen auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zu stützen. Leider wird beim Thema Drogen (und nicht nur dort) oft mit Emotionen statt mit Fakten Politik gemacht. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass Cannabis und Heroin in einem Atemzug genannt werden, die Menschen den Unterschied zwischen Haschisch und „Marihuana“ nicht kennen und die Droge ganz allgemein verteufelt wird. Natürlich gibt es unterschiedliche Meinungen dazu – aber genau deshalb ist es so wichtig, sich auf Forschung statt Emotionen zu stützen. Für Menschen, die aufgrund ihrer chronischen Erkrankungen medizinisch von Cannabis profitieren könnten, ist die gesellschaftliche Stigmatisierung jedenfalls nicht hilfreich.
Was denkt ihr?
Das Klischee „Kiffen macht dumm“ hält sich hartnäckig – aber ist es euch auch schon begegnet? Vielleicht in Medien, in politischen Diskussionen oder in eurem persönlichen Umfeld? Falls ja, fragt euch mal: Welche Studien stehen eigentlich dahinter – oder ist es nur eine Behauptung, die nie wirklich hinterfragt wurde?
Ich habe in diesem Artikel meine Gedanken dazu geteilt, warum wissenschaftliche Erkenntnisse eine größere Rolle in der Drogenpolitik spielen sollten. Aber wie seht ihr das? Sollte Politik stärker auf Forschung setzen oder spielen gesellschaftliche Werte eine wichtigere Rolle?
Schreibt eure Meinung in die Kommentare – ich bin gespannt auf eure Sichtweise und freue mich auf die Diskussion!
Weiterführende Quellen
- https://www.welt.de/gesundheit/article108825174/Wissenschaftlich-bewiesen-Kiffen-macht-dumm.html
- https://www.focus.de/wissen/natur/macht-kiffen-eigentlich-dumm-forscher-liefern-ueberraschende-antwort_id_259700703.html
- https://www.welt.de/kmpkt/article175814477/Cannabis-Gras-ist-nicht-schuld-dass-Kiffer-duemmer-sind.html
- https://link.springer.com/chapter/10.1007/978–3‑319–03101-9_2
- Høeg, K. M., Frodegaard, R. L., Grønkjær, M., Osler, M., Mortensen, E. L., Flensborg-Madsen, T., & Okholm, G. T. (2024). Cannabis Use and Age-Related Changes in Cognitive Function From Early Adulthood to Late Midlife in 5162 Danish Men. Brain and Behavior. DOI: 10.1002/brb3.70136
- https://ehs.usc.edu/research/cspc/chemicals/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32823178/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31790276/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33501901/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37625034/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27810656/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19930263/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21198650/
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3579248/